Home > Reviews > “Among the handful of books that explain the road to the Arab Spring” – Walter Posch, JIPSS

“Among the handful of books that explain the road to the Arab Spring” – Walter Posch, JIPSS

Screen shot 2013-08-09 at 23.20.13A new German review of Dining with al-Qaeda by Walter Posch – a hands-on expert from Austria about Iran, Turkey and Kurdish affairs with Germany’s Institute for International and Security Affairs (SWP) – warmed my heart on many counts. Posch mostly likes the book and strongly recommends it; gives the longest review the book has yet had in German (in the Austrian  Journal for Intelligence Propaganda and Security Studies), and best of all says in conclusion (my translation, and I am far from fluent in German as Posch graciously says in the review): “Pope manages to make tangible the tensions inside the societies of Arab states, and between state and regime. After reading this book the reader really expects a political explosion, which indeed happened with the Arab Spring in the year that the book appeared. The Arab Spring does not make Dining with al-Qaeda obsolete, but is far rather to be counted among the handful of books that explain the road that led there.”

See on Amazon.com

See on Amazon.com

On the critical side, Posch is cautious about what he sees as selective and “frank, ostentatious yet viewable-by-all” autobiographical material, believes that I have misjudged and misunderstood academic reserve and work on Middle Eastern society and politics, and finds me too soft on Turkey (in my defence,  I felt I’d little new to say after writing Turkey Unveiled and Sons of the Conquerors). Still, Posch particularly likes the chapter titles (I’d worked hard on them!) and feels the book is “successful” overall. “This book is recommended not just for its easy readability and its rich colours [but also] as an introduction to how stories become articles … particularly impressive is his skill in presenting the various sides, for example seeing the same event from Palestinian and Israeli, or through Arab and American eyes”.

Rezension: Hugh Pope, Dining with Al-Qaeda. Three Decades Exploring the many Worlds of the Middle East, St. Martin’s Press, New York 2010

Posch_Walter_SWP_7651_2332

Walter Posch (SWP, Berlin)

Der britische Journalist und Nahostexperte Hugh Pope verfasste eine berufliche Autobiographie, mit der er den gelungenen Versuch unternahm, einen kritischen Blick auf das westliche Verhältnis zum Nahen Osten zu werfen. Ausgehend von seinem Werdegang gelingt es ihm, Zeitgeschichte und Analyse erfolgreich zu verbinden. Da er auf jedem Schauplatz des Nahen Ostens und der benachbarten Regionen journalistisch tätig war, ergibt sich eine Zeitgeschichte der letzten dreißig Jahre. Jedes der achtzehn Kapitel ist eine eigene historisch-politisch-biographische Vignette mit griffigem Titel und Untertitel, der meist die politischen Verhältnisse des jeweils behandelten Landes auf den Punkt bringt (z.B. The Plot in the Conspiracy: Spies in the Syria-Lebanon-Palestine Triangle S. 28-37; Hunting for Scapegoats: Foreign Interference and Misrule in Lebanon, S. 38-48; The Drunken Lover: Revolutionary Iran’s Struggle with Its Poetic Soul, 68-83; Dining with Al-Qaeda: A Saudi Missionary and the „Wonderful Boys“ of September 11, S. 132-155; Regal Republics – Democratic Kings: Syria, Jordan and the Dimensions of Dictatorship, S. 196-217; Stop Firing! This is a Military Situation: One Step behind the War with the Kurds,“ S. 249-271; u.s.w.).

Durch die achtzehn Vignetten zieht sich ein autobiographischer Faden, der freilich nur das verrät, was der Autor unbedingt enthüllen will – über sein Privatleben erfährt man genauso wenig wie über die Gründe für seine Niederlassung in der Türkei. Das ist insoweit von Bedeutung, als es meiner Ansicht nach den Mangel an substantieller Kritik an der Türkei erklärt – Pope ist seit 2009 der Türkeiexperte der renommierten International Crisis Group und lebt seit über zwei Jahrzehnten im Land, er ist also privat und professionell vom Wohlwollen der türkischen Behörden abhängig. Daher drängte sich beim Rezensenten der Verdacht auf, dass er bei den Türken Zurückhaltung übt während er bei allen anderen Völkern der Region, also bei den Arabern, Kurden, Iranern und Israelis mit Kritik nicht geizt.

Gleichzeitig plaudert er kurzweilig „aus dem Nähkästchen“ und erlaubt dem Leser einen Blick hinter die Kulissen der angelsächsischen Nahostberichterstattung, wenn er zum Beispiel von einer offiziösen journalistischen Faustregel über die „Nachrichtenwürdigkeit“ menschlicher Opfer schreibt, die in den 1980er Jahren für die westlichen Journalistengemeinschaft in Beirut galt: absolute Priorität hatten amerikanische Opfer, die gleich viel wert waren wie zwei Israelis, oder drei Europäer oder fünf arabische Christen oder zehn Muslime. Kriegsbedingt hatten es Iraner und Iraker am schwersten in die Seiten internationaler Zeitungen zu kommen, erst wenn iranischen Agenturen mindestens 100 Tote berichteten, war ein gewisser Neuigkeitswert gegeben. (S. 45) Pope war zwanzig Jahre lang Nahostkorrespondent bei UPI und dem Wall Street Journal, von dem er sich in gegenseitigem Einverständnis, aber aufgrund großer inhaltlicher und politischer Differenzen, trennte. (S. 261) Viele der interessantesten Szenen in seinem Werk schafften es seinerzeit nicht in das Journal oder wurden für eine amerikanische Leserschaft so überarbeitet, dass weder der ursprüngliche Kontext noch die differenzierten Beobachtungen des Autors erkennbar waren. So zum Beispiel in einem der Kapitel über Saudi Arabien (Mecca and Mammon: Crushing Religious Diversity in the Name of Islam, S. 117-131) wo er den don-quijotischen Kampf des mekkanischen Architekten und Kulturhistorikers Angawi gegen die Zerstörung des kulturellen und architektonischen Erbes des Islams zum Ausgangspunkt für eine exzellente Erörterung der saudi-arabischen Gesellschaft nimmt. Wie zu erwarten machte das Journal daraus eine Geschichte über wahnsinnige Wahhabiten, die nicht nur die USA angreifen, sondern auch verrückt genug sind, die Zeugnisse der eigenen Kultur in die Luft zu jagen oder zu schleifen.

Pope verfügt über beindruckende Kenntnisse der saudischen Gesellschaft und durch sein Talent, eine Geschichte in ihren kulturellen und politischen Kontext zu verorten, gelingt es ihm, die geistigen und ideologischen Strömungen des Landes einzufangen. Besonders hilfreich ist diese Methode in dem Kapitel, das dem Buch den Namen gab: Abendessen mit Al-Qaeda. Pope zeigt wie er durch den Kontakt zum Sohn eines politischen Gefangenen mit viel Geduld zu einem Abendessen mit einem Werber (da‘i) von Al-Qaeda in Saudi Arabien kommt. Der ungenannt gebliebene Werber sah sich dabei weniger als Mitglied der Organisation sondern als Propagandist für die Ideologie Al-Qaedas. Dennoch eröffnete er das Gespräch mit der Frage, warum es nicht besser sei den britischen Journalisten gleich zu töten. Pope beschreibt, wie er dies für eine leere Drohung hielt und wie sich langsam ein Gespräch basierend auf gemeinsamer Koranexegese entwickelte, bis der Werber schließlich mit Einblicken in das Innere Al-Qaedas aufwartet und glaubhaft beschreibt, wann und wie er die Attentäter, die für ihn „wunderbare Burschen“ sind, kennen lernt (S. 144). Was Pope zum damaligen Zeitpunkt nicht wusste, war, dass gleichzeitig sein Kollege vom Wall Street Journal Daniel Pearl in Pakistan mit einer anderen Al-Qaeda Gruppe in Kontakt war und von diesen grausam ermordet wurde – sie hatten ihn enthauptet.

Nach Popes Aussage waren er und Pearl jene Journalisten, die trotz des 11. Septembers ihrem Anspruch treu blieben und ein ausgeglichenes Bild von der arabischen Welt zeichneten. Pope, der auch an anderen Stellen an getötete Kollegen erinnert, nimmt Pearls Tod zum Anlass, die tragische Rolle kritischer Journalisten zu thematisieren, die zwischen den Wünschen unkritischer Blattmacher und der Brutalität islamistischer Fanatiker stehen. Das Abendessen mit Al-Qaeda wurde vom Wall Street Journal übrigens mit der Begründung abgelehnt, der Werber würde nicht mit Namen genannt werden, (s. 150) was bei Menschen, die im Untergrund leben, allerdings zu erwarten ist.

Neben dem Journal, gegen das er sich die eine oder andere Spitze nicht versagen will (wenn er z.B. von einer Redaktionskonferenz berichtete, in der die Unmöglichkeit diskutiert wurde, eine unabhängige arabische Stimme in diesem Blatt zu Wort kommen zu lassen S. 60-63), ist es vor allem ein britischer Journalist, den Pope mit einer überraschenden Hartnäckigkeit angreift: Robert Fisk, dem er verantwortungslose Übertreibung, schlampige Recherche und mangelnde tiefere Kenntnisse der Region vorwirft. Der Grund für Popes radikale Abrechnungen mit seinem Zunftkollegen liegt einerseits im Starruhm, den der Grand Seigneur der britischen Nahostberichterstattung genießt (Fisk ist der Autor mehrerer Bücher und war jahrzehntelang einer der wichtigsten Korrespondenten bedeutender britischer Zeitungen) andererseits jedoch auch in einer gewissen Enttäuschung des Autors begründet: freimütig gibt Pope zu, dass es die Artikel Robert Fisks waren, die ihm als Studenten der Orientalistik in Oxford den modernen Nahen Osten nahe brachten und den er am Beginn seiner journalistischen Karriere noch bewunderte. Als er mit ihm als Kollege zu tun hatte, wurde er jedoch von seinem arroganten Verhalten dermaßen enttäuscht, dass er ihn und seine Artikel nun mit kritischeren Augen sah (S. 21-26).

Pope studierte gegen Ende der 1970er Jahre Orientalistik mit Schwerpunkt persisch und arabisch in Oxford. Daneben spricht er noch fließend türkisch, deutsch, niederländisch und französisch. Obwohl er der gediegenen orientalistischen Ausbildung die Grundlagen seines Wissens verdankt, spricht er ausschließlich ironisch über dieses klassische Fach, dem er Weltfremdheit bescheinigt. Mit der Realität des Nahen Osten kam Pope nach eigener Aussage 1980 in Berührung, als die syrische Armee im März – April 1980 Unruhen in Aleppo brutal unterdrückte. Allerdings war die Lage des damals noch jungen Studenten eher surreal: während die Armee Artillerie und Granatwerfer gegen die syrische Opposition einsetzte, versuchte er sich in seinem Zimmer in einem Bordell in Aleppo durch die arabische Grammatik zu arbeiten und dabei dem homoerotischen Begehren eines arabischen Machos, der unablässig an seine Tür klopfte,  zu widerstehen (- mit Erfolg S. 9). In der Tat sind manche Sachverhalte nahöstlicher Wirklichkeit nur schwer in Vorlesungen und Proseminaren zu vermitteln.

Seine Verbesserungsvorschläge für die Orientalistik und Nahostinstitute entbehren dann ihrerseits der Realität, jedenfalls der Praktikabilität. So schlägt er vor,  westliche Universitäten mögen die Geschichte der Region des Nahen Ostens  „anderswo“ als in den genannten Fächern behandeln – wo und warum? Die Konkurrenz bei den Anthropologen, Theologen und Politikwissenschaftlern hat bisher eher selten mit  Nahostexpertise aufwarten können. Doch nach Pope würde nur so gewährleistet, dass man den Nahen Osten nicht mehr so behandelt, „als ob die dortigen Probleme irgendwie verloren und anders als jene im Rest der Welt wären.“ (S. 308) Doch genau das sind sie, wenn man zum Beispiel, wie er es tut, das Schicksal der Palästinenser und Kurden nicht unter den Tisch kehrt sondern ihnen große Bedeutung beimisst.

In gewisser Weise ist seine Kritik an der akademischen Ausbildung typisch für politische und journalistische Praktiker. Doch hier übersieht Pope zweierlei. Erstens  die politischen Schwierigkeiten, mit denen unpolitische Orientalisten oft genug konfrontiert werden (so zwang das Interesse für die Literatur esoterischer Sekten in der Türkei diesen Rezensenten sich während seiner Studienzeit intensiver mit der türkischen Innen- und Sicherheitspolitik auseinander zu setzen). Selbst die weltfremdesten Bücherwürmer sind unfreiwillig zu wahren Experten für politische Wetterlagen gemacht worden. Vielleicht ist, was Pope als Weltfremdheit auffasst, in Wirklichkeit akademische Diskretion, die durchaus auf Kenntnis der Politik beruht? Außerdem versagt der Autor ein wenig bei der Selbstreflexion: schließlich verdankt er der Orientalistik nicht nur seine Sprachkenntnisse, sondern auch seine nach wie vor „orientalistische“ Einstellung. So ist es letztlich seine historisch-philologische Schulung, die ihn die richtigen Fragen stellen lässt, und es ist in gewisser Weise „Orientalismus“ (eben nicht im Sinne von Edward Said!) wenn er davon ausgeht, dass die Völker des Nahen Ostens das Recht haben, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Genau diese Einstellung brachte ihn öfters in Schwierigkeiten und unterscheidet ihn von den meisten Politikwissenschaftlern, Studenten der Internationalen Beziehungen oder Mitarbeitern des Wall Street Journal.

Anekdotisch lässt er einen nicht zu unterschätzenden Aspekt seiner Karriere einfließen: die Begegnung mit Nachrichtendiensten. Sowohl Orientalisten als auch all jene, die sich entschließen, eine nahöstliche  Fremdsprache zu lernen, stehen unter Generalverdacht der Spionage. In Syrien, bei den Palästinensern und im Iran war das Misstrauen besonders groß – warum, so die entwaffnende Logik, würde man sonst eine der Sprachen in der Region lernen wollen? In der Tat wurde einer seiner Kommilitonen – der beste Arabischstudent Oxfords (S. 31, 32) –  Analyst beim MI6. Als britische Staatsbürger hatte es Pope natürlich besonders schwer, einerseits wegen der imperialen Vergangenheit Großbritanniens in der Region, andererseits, weil das Vereinigte Königreich einen der besten und aktivsten Geheimdienste der Welt unterhält. Vielleicht geht das Problem aber noch tiefer, denn  die Omnipräsenz britischer Spionage wurde im Laufe des letzten Jahrhunderts Teil der Folklore des Nahen Ostens. Es scheint aber wohl eher seine Tätigkeit als Journalist gewesen zu sein, die ihm die vielen Einladungen für Abendessen und lange Gespräche eintrug  –  unter anderem von französischen, amerikanischen und anderen Botschaftsmitarbeitern der besonderen Art. So auch von  einem jungen britischen Diplomatenehepaar, von dem er jahrelang nichts mehr hörte – bis zu dem Tag als er aus der Zeitung (woher sonst) erfuhr, dass John Sawers zum Chef des MI6 ernannt wurde. (S. 34). Pope gibt nützliche Tipps zur Vorsicht: immer davon ausgehen, dass das Telefon abgehört wird, niemals Witze über Spionage am Telefon machen, das ist eine Garantie für Spionageverdacht, Vorsicht bei Consulting-Tätigkeiten, denn der eigentliche Auftraggeber sitzt meistens wo anders usw. Doch die Regel lautet nicht, dass man Spione sucht, vielmehr, dass diese einen finden. (Mittlerweile gibt es genügend „graue“ Literatur und Tipps im Internet, mit denen sich die einfachsten Grundregeln gegen das „Abschöpfen“ und instrumentalisiert werden, leicht lernen lassen. Freilich, die nötige Erfahrung bekommt man erst bei der Arbeit.)

Zu seinen Vignetten gehören auch Beobachtungen über die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Region, zwischen Mann und Frau und Mann und Mann. (Der Titel des Kapitels könnte von Rosamunde Pilcher sein: „Subversion in the Harem: Women on the Rise from Cairo to Istanbul S. 84-98“ aber er geht auf dieses Thema auch in anderen Kapiteln ein.) Hier greift er größten Teils auf eigene Erlebnisse zurück, was mit einer oder zwei Ausnahmen die geradezu ostentativ jugendfreie Natur der Episoden erklären dürfte. Er ergänzt daher gerne durch Beispiele aus der erzählenden Literatur und bastelt daraus eine – wenig überzeugende – Soziologie der zwischenmenschlichen Beziehungen des Nahen Ostens. Darüber hinaus belastet er den politisch interessierten Leser mit Tratsch und Klatsch von multikulturellen Paaren, die er in seinem Freundes- und Bekanntenkreises kennen lernte (S. 94) – sehr zum Ärger des Rezensenten, der ein guter Bekannter des Autors ist.

Dennoch ist das Buch nicht nur wegen seiner leichten Lesbarkeit und seines bunten Kolorits zu empfehlen. Seine Einblicke in die Art wie aus Geschichten Artikel gemacht werden und wie und unter welchen Umständen diese es dann tatsächlich in die Zeitung schaffen oder abgelehnt werden, ist eine gute Einführung für all jene, die keine formelle journalistische Ausbildung genossen haben, zu deren beruflichem Alltag jedoch verpflichtende Zeitungslektüre gehört. Besonders beeindruckend ist auch seine Fähigkeit, die andere Seite darzustellen, wenn er zum Beispiel dasselbe Ereignis aus palästinensischer und israelischer, oder aus arabischer und amerikanischer Sicht darstellt. Darüber hinaus gibt das Buch einen exzellenten Eindruck der gesellschaftlichen Verhältnisse von den 1980er Jahren zu 9/11 bis zur Zeit unmittelbar vor dem arabischen Frühling. Pope schafft es, die Spannungen innerhalb der Gesellschaften der arabischen Staaten und zwischen Staat und Regime greifbar zu machen. Nach der Lektüre erwartet der Leser eigentlich eine politische Explosion, wie sie im Erscheinungsjahr des Buches mit dem Arabischen Frühling auch eingetreten ist. Der Arabische Frühling macht Dining With Al-Qaeda nicht obsolet, vielmehr soll es zu jener Handvoll Büchern gezählt werden, die den Weg dorthin erklären helfen.

Erschien in: Journal for Intelligence Propaganda and Security Studies, 7.1.2013 S. 182-185

  1. No comments yet.
  1. No trackbacks yet.

Leave a comment